Der Mensch. Denn er opfert seine Gesundheit, um Geld zu machen. Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit wiederzuerlangen. Und dann ist er so besorgt um die Zukunft, dass er vergisst, die Gegenwart zu genießen. Dadurch lebt er weder in der Gegenwart noch in der Zukunft – vielmehr lebt er, als müsste er nie sterben und dann stirbt er, nachdem er nie wirklich gelebt hat.
James J. Lachard zu der Frage, was das Erstaunlichste an der Menschheit sei
Hundebesitzer kennen das. Der treue Vierbeiner schert sich nicht um die Zukunft und vergisst auch recht schnell, was in der Vergangenheit war. Er ist nicht nachtragend, nicht vorausschauend und er lebt konsequent und ausschließlich im Hier und Jetzt.
Bitte nicht falsch verstehen – damit meine ich nicht die Erfahrungen, die der Hund in der Vergangenheit gemacht hat. Die bleiben haften, wie man leider oft bei Tierheimhunden beobachten kann.
Ich meine eher den Umgang mit Sorgen und Nöten. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie vorwurfsvoll meine Hündin Frida schauen kann, wenn ich sie einmal nicht mitnehme. Sie merkt schon an der Art, wie ich meine Jacke anziehe, ob sie mitdarf oder nicht – und wenn nicht, dann verzieht sie sich auf ihre Decke und lässt einen deutlich hörbaren Seufzer los, der mir nachdrücklich klarmachen soll, dass sie schon gerne mit ins Abenteuer da draußen gehen würde.
Wenn ich aber zurück nach Hause komme, dann ist jeder Vorwurf vergessen. Die Begrüßung ist vorbehaltslos herzlich und dermaßen freudig, dass die gute Laune immer auf mich überspringt, ganz egal, welche Laus mir über die Leber gelaufen sein mag.
Dafür bin ich unendlich dankbar und freue mich immer wieder daran, wie mein Hund mich daran erinnert, die Gegenwart zu genießen. Hunde haben die Fähigkeit, voll und ganz im Hier und Jetzt zu sein – dabei blenden sie alles andere aus. Davon können wir uns einiges abschauen – wenn wir möchten.
Wir leben nun mal in der Gegenwart
Sind wir einmal ehrlich: die Vergangenheit ist geschehen und wir können sie nicht mehr verändern. Die Zukunft hingegen ist nicht vorhersehbar und wir wissen nicht, was sie mit sich bringen wird.
Unser Leben spielt sich einzig und alleine in der Gegenwart ab. Jetzt können wir Dinge beeinflussen, jetzt ist unser Verhalten maßgeblich und es passiert so vieles, wenn wir uns ganz bewusst sind, wo wir uns befinden, mit wem wir interagieren und welche Signale wir aussenden.
Zurück zum Hund. Wir gehen gerne gemeinsam durch den Wald und genießen die gemeinsame Zeit. Aber oft habe ich das Gefühl, dass der Hund merkt, wenn meine Gedanken abschweifen. Denn dann geht er seinen eigenen Weg, verschwindet mal im Feld oder schnüffelt hier und dort. Wenn ich aber mental bei ihm bin und gemeinsam mit ihm die Welt erkunde, dann ist auch er bei mir und genießt die Aufmerksamkeit, die er sonst vielleicht viel zu selten bekommt. Ein wunderbares Gefühl.
Der Mensch hat es sich angewöhnt, nach Regeln zu leben, die die Gesellschaft ihm auferlegt hat. „Ich muss studieren, um einen guten Beruf zu bekommen, mit dem ich viel Geld verdiene, um glücklich zu sein.“ Wäre es nicht viel schöner, schon auf dem Weg zum vielen Geld glücklich zu sein? Hätte man dann nicht viel mehr vom Leben?
Vor einigen Wochen schrieb ich über Zwischenziele und Oberziele und darüber, wie wichtig es ist, diese beiden Zielkategorien bewusst auseinander zu halten. Das Studium, der gute Job und das viele Geld sind Zwischenziele, die maximal dabei helfen können, ein Oberziel zu erreichen. Aber sie gehören nicht zwangsläufig zu einem glücklichen, erfüllten Leben – und bergen die Gefahr, dass man auf dem Sterbebett zurückblickt und merkt, dass man gar nicht richtig gelebt hat vor lauter Zwischenzielen, die es zu erreichen galt.
Ein Hund hingegen kennt keine Zwischenziele. Er tut nicht etwas, um etwas zu erreichen, sondern er tut es einfach, weil er es jetzt gerade für sinnvoll erachtet.
Das ist in der Menschenwelt sicherlich nicht immer gut und nicht immer richtig, aber hin und wieder würde es uns schon gut tun, etwas weniger der Vergangenheit nachzutrauern, etwas weniger die Zukunft zu planen und stattdessen etwas mehr von dem zu genießen, was gerade um einen herum stattfindet.